Richtig Aufwärmen vor dem Joggen: Notwendig oder überflüssig?

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„Sollte ich mich aufwärmen vor dem Laufen?“ – Diese Frage spaltet die Läufer-Community. Erst kürzlich bin ich über ein Reel einer bekannten Laufinfluencerin gestolpert. Ihre Botschaft war klar: Ohne Warm-up läuft man direkt in die nächste Verletzung. Klingt dramatisch, oder? Aber ist das wirklich so?

Wir Läufer lieben einfache Antworten: „Mach das unbedingt!“ oder „Das brauchst du nicht!“ Aber in der Realität ist vieles nicht so schwarz-weiß. Ob du dich vor dem Laufen aufwärmen solltest, hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem davon, wie intensiv dein Lauf geplant ist. Eine entspannte Joggingrunde? Wahrscheinlich nicht. Ein knackiges Intervalltraining? Dann schon unbedingt.

Und was sagt die Wissenschaft dazu? Hilft ein Warm-up wirklich, Verletzungen zu vermeiden? Oder kannst du dir das Ganze sparen? Lass uns der Sache gemeinsam auf den Grund gehen – damit du weißt, wann Aufwärmen sinnvoll ist und wann du einfach loslaufen kannst.

Inhaltsverzeichnis

Die Wissenschaft hinter dem richtig Aufwärmen: Warum es keine pauschale Empfehlung gibt

Ob du dich vor dem Joggen aufwärmen solltest oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab – allen voran von der Art deines Laufs. Während einige schwören, dass man ohne ein ausgiebiges Warm-up besser gar nicht erst loslaufen sollte, vertreten andere die Meinung, dass langsames Loslaufen völlig ausreicht. Wer hat nun recht? Die Antwort liegt – wie so oft – irgendwo in der Mitte. Die Wissenschaft zeigt, dass es keine „One-size-fits-all“-Lösung gibt. Stattdessen muss das Aufwärmen an die geplante Trainingseinheit und individuelle Voraussetzungen angepasst werden.

Unterschiedliche Anforderungen für lockere Läufe und intensives Training

Für einen entspannten Dauerlauf ist kein spezielles Aufwärmprogramm notwendig. Studien belegen, dass ein zu langes, niedrig intensives Warm-up sogar kontraproduktiv sein kann. Eine Untersuchung mit Ruderern *1 ergab, dass ein 60-minütiges Warm-up zu Ermüdungserscheinungen führte und die Leistung beeinträchtigte.

Dieses Prinzip lässt sich auf lockere Joggingrunden übertragen: Statt Energie mit komplexen Übungen zu verschwenden, ist es oft sinnvoller, den ersten Kilometer einfach sehr langsam anzugehen. So bringst du deinen Körper sanft auf Betriebstemperatur, ohne dich vorab zu ermüden. 

Anders sieht es bei intensiven Trainings wie Intervallläufen oder Wettkampfeinheiten aus. Hier empfehlen Sportmediziner ein gezieltes Aufwärmprogramm, um Verletzungen vorzubeugen und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Eine Studie mit 800m-Läufern *2 zeigte, dass ein intensiveres Warm-up die Sauerstoffaufnahme und Energiebereitstellung optimierte. Ein progressives Warm-up, bei dem die Belastung schrittweise erhöht wird, bereitet den Körper optimal auf hohe Intensitäten vor – und sorgt dafür, dass du schneller in den gewünschten Leistungsbereich kommst.

Individuelle Faktoren, die das Warm-up beeinflussen

Die Notwendigkeit und Intensität des Aufwärmens hängen stark von persönlichen Faktoren ab. Jüngere und fittere Läufer kommen oft schneller „in die Gänge“, während ältere oder weniger trainierte Personen von einem längeren Warm-up profitieren können. Auch die Tageszeit hat einen Einfluss: Am Morgen braucht der Körper länger, um in Schwung zu kommen. Zusätzlich sollten Wetterbedingungen berücksichtigt werden – bei Kälte ist ein längeres Aufwärmen sinnvoll, um die Muskulatur vor Verletzungen zu schützen. Und schließlich darf nicht die Vorermüdung vernachlässigt werden. Wenn du gerade ein intensives Trainingsprogramm absolvierst, brauchst du mehr Aktivierung als wenn du ausgeruht startest.

Die Wissenschaft zeigt, dass es keine pauschale Empfehlung gibt, die für alle Läufer gilt. Während du für lockere Läufe oft einfach langsam starten kannst, ist bei intensiven Einheiten ein gezieltes Aufwärmprogramm essenziell. Das Wichtigste: Passe dein Warm-up an deine Bedürfnisse an – und an das, was du vorhast.

Lockere Läufe: Warum ein langsamer Start beim Aufwärmen oft ausreicht

Beim Thema Aufwärmen denken viele Läufer direkt an aufwändige Übungen und Stretching-Routinen. Doch gerade bei lockeren Dauerläufen ist das meist gar nicht nötig. Statt deine Zeit mit komplizierten Aufwärmprogrammen zu verbringen, kannst du dein Warm-up direkt in den Lauf integrieren – indem du einfach langsam startest. Dieser „sanfte Einstieg“ erfüllt alle wichtigen Funktionen des Aufwärmens und spart dir gleichzeitig Zeit.

Mythos: Keine Aufwärmübungen vor dem Laufen bedeuten sofort Verletzungsgefahr

Ein weit verbreiteter Irrglaube unter Läufern ist, dass das Weglassen des Warm-ups automatisch das Verletzungsrisiko erhöht. Besonders Anfänger fürchten, dass sie ohne Vorbereitung direkt eine Zerrung oder andere muskuläre Probleme riskieren. Doch das gilt nicht für jeden Lauf – vor allem nicht für lockere, entspannte Einheiten.

Wissenschaftlich belegt ist, dass das Verletzungsrisiko vor allem bei intensiven Belastungen steigt, wenn der Körper nicht ausreichend vorbereitet ist. Bei weniger anspruchsvollen Dauerläufen hingegen sind Verletzungen meist das Ergebnis von Überbelastung durch zu vieler Trainings, schlechter Lauftechnik dank mangelnder Muskulatur oder einem zu schnellen Start – nicht von einem fehlenden Warm-up.

Deshalb gilt: Wenn du dich für eine lockere Joggingrunde fertig machst, kannst du getrost auf aufwändige Vorbereitungen verzichten. Entscheidend ist, dass du den Körper zu Beginn nicht überforderst. Das erreichst du ganz einfach durch einen langsamen Start.

Praxis-Tipp: Starte entspannt mit lockerem Joggen

Der erste Kilometer deines Laufs sollte der langsamste sein – ein simples, aber effektives Prinzip, das leider viele Läufer:innen ignorieren. Gerade Anfänger:innen neigen dazu, zu schnell loszulaufen. Dabei kannst du deinem Körper viel Gutes tun, wenn du dir am Anfang etwas mehr Zeit nimmst, um auf „Betriebstemperatur“ zu kommen.

Für Anfänger:innen gilt: Starte zunächst mit schnellem Gehen. Das bringt deinen Kreislauf in Schwung, mobilisiert deine Muskulatur und bereitet deinen Körper auf die bevorstehende Belastung vor. Anschließend gehst du in ein lockeres Joggingtempo über – aber langsam!

Dieser erste Kilometer ist die perfekte Gelegenheit, deinem Körper Zeit zu geben, sich auf die Bewegung einzustellen. Beginne bewusst in einem Tempo, bei dem du dich problemlos unterhalten kannst. Du wirst merken, wie dein Kreislauf hochfährt, deine Muskulatur geschmeidiger wird und sich deine Atmung allmählich stabilisiert.

Damit dein langsamer Einstieg gelingt, kannst du dich an diesen Richtwerten orientieren:

  • Laufe etwa 10-20 % langsamer als dein gewohntes Wohlfühltempo.
  • Nach dem ersten Kilometer kannst du dann schrittweise auf dein gewohntes Tempo beschleunigen.

Der größte Vorteil? Du sparst Energie für den restlichen Lauf. Viele Läufer:innen machen den Fehler, direkt im gewohnten Tempo loszulegen – und sind dann viel zu früh erschöpft. Mit einem langsamen Start bleibst du länger frisch, reduzierst das Risiko einer Überforderung und läufst insgesamt effizienter.

Dieser „aktive Einstieg“ ins Laufen ist für die meisten Hobbyläufer:innen vollkommen ausreichend – vor allem, wenn du einen entspannten Dauerlauf planst. So einfach kann ein gelungenes Warm-up sein!

Warum ein gezieltes Aufwärmprogramm bei Intervallen Pflicht ist

Intervalltraining als Lauftraining ist für den Körper eine enorme Herausforderung. Kurze, intensive Belastungsphasen bringen das Herz-Kreislauf-System an seine Grenzen, während die Muskulatur in kürzester Zeit Höchstleistungen erbringen muss. Ohne Vorbereitung wird dein Körper von dieser plötzlichen Belastung überrumpelt – was oft zu schlechteren Leistungen, frühzeitiger Ermüdung oder sogar Verletzungen führt.

Studien mit Mittelstreckenläufern zeigen, dass ein intensiveres Warm-up die Sauerstoffaufnahme und Energiebereitstellung verbessert. Vor allem bei kurzen und schnellen Einheiten ist das wichtig, denn die Leistungsfähigkeit hängt hier stark von der Fähigkeit des Körpers ab, in kurzer Zeit möglichst viel Sauerstoff aufzunehmen. Ein gut durchdachtes Aufwärmprogramm hilft dir also, das Beste aus deinem Training herauszuholen – und dich gleichzeitig vor Überlastungen zu schützen.

Ein häufig gemachter Fehler ist es, beim Intervalltraining einfach „loszusprinten“. Doch wer sich die Zeit für ein progressives Warm-up nimmt, kann höhere Intensitäten besser verkraften und die einzelnen Intervalle gleichmäßiger absolvieren. Kurz gesagt: Das Warm-up ist kein Zeitfresser, sondern ein essenzieller Bestandteil intensiver Läufe.

Die besten Aufwärmübungen für das Intervalltraining

Ein gutes Warm-up für intensive Einheiten sollte mehrere Phasen durchlaufen, um deinen Körper Schritt für Schritt an die kommende Belastung heranzuführen. Hier ein einfaches, aber effektives Drei-Phasen-Programm:

  • Phase 1: Leichtes Einlaufen (5-10 Minuten)

Beginne dein Warm-up mit einem lockeren Lauf. Ziel ist es, den Kreislauf anzukurbeln und die Muskulatur zu durchbluten. Dabei reicht ein Tempo, bei dem du dich entspannt unterhalten kannst. Dieser Teil des Aufwärmens sollte nicht anstrengend sein – es geht nur darum, den Körper auf Touren zu bringen.

  • Phase 2: Dynamische Übungen aus dem Lauf-ABC (5-7 Minuten)

Nach dem Einlaufen folgt der zweite wichtige Schritt: dynamische Bewegungen, die gezielt jene Muskelgruppen aktivieren, die beim Laufen besonders gefordert werden.
Empfehlenswerte Übungen sind:

  • Kniehebelauf – Aktiviert die Beinmuskulatur und verbessert die Hüftbeweglichkeit.
  • Skippings – Bringt Geschwindigkeit in deine Schrittbewegungen.
  • Hüftöffner – Lockert die Hüfte und verbessert deine Beweglichkeit.

Diese Übungen bereiten die Muskeln auf schnelle und explosive Bewegungen vor, die beim Intervalltraining wichtig sind. Dynamische Übungen steigern außerdem die Reaktionsfähigkeit und helfen, Verletzungen durch plötzliches Losrennen zu vermeiden.

  • Phase 3: Laufbewegung optimieren mit Lauf-ABC (3-5 Minuten)

Der letzte Schritt vor dem eigentlichen Training sind weitere Aufwärmübungen, die deine Laufbewegung optimieren und deine Muskulatur perfekt auf hohe Belastungen vorbereiten. Zu den wichtigsten Übungen gehören:

  • Anfersen – Fördert einen aktiven Kniehub und eine effiziente Schrittlänge.
  • Steigerungsläufe – Bereiten den Körper auf hohe Geschwindigkeiten vor. Beginne langsam und steigere das Tempo über eine kurze Distanz bis auf Wettkampfgeschwindigkeit.

Dieser letzte Abschnitt des Warm-ups hilft dir, auf deine maximale Leistungsfähigkeit zu kommen, bevor das eigentliche Intervalltraining startet.

Statische Dehnübungen vor dem Laufen – Ein Mythos, der hartnäckig bleibt

Noch immer sieht man Läufer:innen, die vor dem Start ihre Muskulatur ausgiebig statisch dehnen. Eine Bewegung wird eingenommen – etwa der klassische Griff zum Fuß, um den Oberschenkel zu dehnen – und dann gehalten. Doch genau das solltest du vor dem Laufen vermeiden. Statisches Dehnen vor dem Training ist nicht nur unnötig, sondern kann laut sportwissenschaftlichen Erkenntnissen sogar das Risiko für Verletzungen erhöhen.

Früher galt das statische Stretching als fester Bestandteil des Aufwärmens. Man ging davon aus, dass es die Muskeln lockert und Verletzungen vorbeugt. Doch mittlerweile ist klar: Das Gegenteil ist der Fall. Studien zeigen, dass statisches Dehnen vor dem Sport die Muskelleistung mindern und die Verletzungsanfälligkeit erhöhen kann. Warum? Die gedehnte Muskulatur verliert kurzzeitig an Spannung und Elastizität – genau das, was du beim Laufen eigentlich brauchst.

Warum dynamisches Dehnen zum Aufwärmen vor dem Joggen sinnvoller ist

Die bessere Alternative heißt dynamisches Dehnen. Dabei werden ähnliche Bewegungen wie beim statischen Stretching ausgeführt, jedoch nicht gehalten. Stattdessen wechselst du die Seiten oder führst die Bewegung mehrmals hintereinander aus.
Beispiel: Ziehe den Fuß kurz zum Po, lasse los und wiederhole die Bewegung mit dem anderen Bein. So bereitest du deine Muskulatur auf die kommenden Belastungen vor, ohne sie zu „entschärfen“.

Diese Form des Dehnens wird häufig auch als Mobility Training bezeichnet. Sie mobilisiert deine Gelenke, verbessert die Beweglichkeit und erhöht die Reaktionsfähigkeit deiner Muskeln – perfekt, um Verletzungen vorzubeugen und dich auf den Lauf einzustimmen.

Wann statisches Dehnen sinnvoll ist

Das bedeutet allerdings nicht, dass du ganz auf statisches Dehnen verzichten musst. Es hat durchaus seine Berechtigung – aber eben nach dem Laufen oder an trainingsfreien Tagen. Abends auf der Yogamatte oder als eigenständige Einheit kann es dabei helfen, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit langfristig zu verbessern. Nur eben nicht vor dem Training.

Fazit: Vor dem Laufen Finger weg vom statischen Dehnen! Stattdessen setzt du besser auf dynamische Bewegungsübungen, die deinen Körper aktiv auf die Belastung vorbereiten. So bist du schneller „ready to run“ – ohne das Risiko, dich gleich zu Beginn zu verletzen.

Fazit: Warm up vor dem Laufen? Gerne, aber richtig!

Das richtige Aufwärmen hängt von der Intensität deines Laufs ab. Für lockere Dauerläufe reicht es meist aus, einfach langsam zu starten und den ersten Kilometer als aktive Aufwärmphase zu nutzen. Das spart Zeit und reduziert trotzdem das Verletzungsrisiko. Tun dir Mobility-Übungen gut, dann absolviere ein paar wenige.

Bei intensiven Einheiten wie Intervalltraining sieht das anders aus: Hier ist ein gezieltes Warm-up Pflicht! Dein Körper braucht die Vorbereitung, um auf die hohen Belastungen eingestellt zu sein. Dynamische Übungen, kurze Mobilitätsroutinen und Technikläufe helfen dir, leistungsfähiger zu starten und Verletzungen zu vermeiden.

Mein Tipp: Mach es so einfach wie möglich. Finde eine Routine, die du regelmäßig umsetzen kannst – und vergiss die veralteten statischen Dehnübungen. Stattdessen gilt: Bewegung und Aktivierung statt Halten und Ziehen. So bist du optimal vorbereitet für dein nächstes Laufabenteuer!


Über den Autor des Artikels

Im Jahr 2008 fasste Torsten Pretzsch den Entschluss, sein Leben zu ändern. Sein erster Laufversuch endete bereits nach 15 Minuten. Doch Torsten gab nicht auf und entwickelte sich zu einem passionierten Läufer, der Jahre später mehrere Marathons und sogar einen Ironman absolvierte.

Der ausdauerclub ist heute Kern von Torstens Engagement, Menschen als Lauftrainer zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren. Mit erstklassigen Inhalten, anwendbaren Trainingsplänen und einer inspirierenden Community fördert der Club Anfänger wie Fortgeschrittene – vom ersten Lauf bis zum Halbmarathon und darüber hinaus.

Im ausdauerclub findest du als Hobbyläuferin oder -läufer alles Nötige, um dauerhaft verletzungsfrei und in Form zu bleiben, egal, wie alt du bist.


Quellen:

1) Int J Sports Physiol Perform. 2012 Jun;7(2):186-8. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22634969/

2) Int J Sports Physiol Perform. 2013 Jan;8(1):77-83. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22868404/

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